Vorsitzender der Entsorgungskommission zu Gast in Wolfenbüttel
Die jüngste Sitzung der Asse 2-Begleitgruppe (A2B) begann mit einer Überraschung: Zu Beginn erschienen zahlreiche Mütter der Asse-Region mit ihren Kindern. Sie berichteten auf ergreifende Art von ihren Sorgen um die Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder.
Als Zeichen der Hoffnung auf die tatsächliche Rückholung des gesamten radioaktiven Inventars übergaben sie jedem A2B-Mitglied einen selbst gebastelten Kranich – er steht als Symbol für Wachsamkeit und Klugkeit, aber auch für Langlebigkeit und Glück. Die parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser (Bundesumweltministerium) bekräftigte den Besuchern nochmals ausdrücklich, dass die Bundesregierung die Rückholung mit Nachdruck betreibe.
Im Anschluss ging es in der Sitzung um Missverständnisse. Zu Gast war Michael Sailer, Geschäftsführer des Öko-Instituts und Vorsitzender der Entsorgungskommission (ESK) des Bundes. Er machte seinen Standpunkt zu den geplanten Maßnahmen in der Asse deutlich und schilderte die Rollen des Öko-Instituts sowie der Entsorgungskommission (ESK) im Begleitprozess.
Das 1977 in Freiburg gegründete Institut stehe dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in doppelter Funktion zur Seite. Einerseits erstelle es Sicherheitsgutachten im Auftrag des BMU, zudem übernehme es die Rolle des „Sachbearbeiters“, weil das BMU die Fachaufsicht über die umfangreichen Prozesse in der Asse nicht allein bewältigen könne. „Das Öko-Institut ist als Gutachter-Organisation, die ESK als Beratungsgremium für das BMU tätig“, sagte Sailer.
Als Aufgaben des Öko-Instituts nannte er die Erstellung von Informationsmaterial, die Bemühungen, einen transparenten Informationsaustausch zu schaffen, beispielsweise über Gesprächsgruppen wie die A2B, sowie die Beobachtung und Evaluierung des Begleitprozesses.
Weiterhin widersprach Sailer dem Eindruck, er bevorzuge die Vollverfüllung als Schließungsoption des Asse-Bergwerks. „Wir hinterfragen zwar die Rückholungsoption. Das heißt aber nicht, dass wir die Vollverfüllung bevorzugt hätten. Für mich stellt die Nassverfüllung in keiner Weise eine Option dar.“
Es gehe vielmehr darum, alle Optionen zu beleuchten und Fragen zu stellen, um auf Sicherheitsmängel aufmerksam zu machen und Denkanstöße zu geben, wie sie zu beheben seien. „Wir weisen auf Defizite in allen Richtungen hin.“ So sei ein Verfüllungskonzept, wie vom früheren Betreiber (Helmholtz-Institut) vorgelegt, überhaupt nicht tragbar. Da das Konzept Teil der aktuellen Notfallplanung ist, habe das Öko-Institut auch die Forderung nach einem Notfall-Plan-B aufgeworfen.
Alternativen wollte Sailer jedoch nicht liefern, weil dies Aufgabe des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) sei. Er verwies lediglich darauf, dass die anstehende Kammeröffnung Grundvoraussetzung für weitere Überlegungen sei, um genauere Erkenntnisse der Gegebenheiten der Asse zu gewinnen. „Anschließend kann ein neues, detailliertes technisches Konzept für die Rückholung und die Verfüllung sowie ein Notfallplan erstellt und die entsprechenden Schritte eingeleitet werden“, beschrieb Sailer seinen Standpunkt zum weiteren Vorgehen. Unterm Strich stand ein Konsens der A2B mit ihrem Gast: Es gibt hohe Hürden bei der Umsetzung der aktuellen Konzepte.
Die Kernthemen der anschließenden Sitzung bildeten der Inventar-Abschlussbericht von Dr. Detlev Eck und ein aktueller Lagebericht zur Faktenerhebung (Bundesamt für Strahlenschutz). Die Ausführungen Ecks verdeutlichten die Notwendigkeit, den Sicherungsmaßnahmen für Personal und Anwohner noch mehr Gewicht zu verleihen. Darüber hinaus waren sich die A2B-Mitglieder in Anbetracht des Inventar-Zustands einig: „Für eine nachhaltige Wirkung ist es wichtiger denn je, den radioaktiven Abfall vollständig zurückzuholen.“
Bezug nehmend auf den Lagebericht, äußerten die A2B-Mitglieder Bedenken: Die bisherigen Vorbereitungen zur Rückholung laufen zu zögerlich an. Unter den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen sei die Gefahr groß, die vollständige Rückholung vor Eintreten eines Wassereinbruchs nicht abschließen zu können.
Deshalb machte der A2B-Vorsitzende, Landrat Jörg Röhmann, den Vorschlag, regelmäßige Fachgespräche über den Stand der Rückholung zu führen. Daran sollen Vertreter des Landkreises, des BMU, des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz (NMU), des BfS, des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) sowie der Asse-GmbH teilnehmen. Außerdem sollen Sachverständige anderer Organisationen gegebenenfalls hinzugezogen werden.
Die Gesprächsrunden sollen dazu dienen, Planungs- und Prüfungsaufgaben zu komprimieren und aufeinander abzustimmen und somit Zeit für die Umsetzung der Rückholung zu gewinnen. Staatssekretärin Heinen-Esser und BfS-Präsident Wolfram König signalisierten umgehend ihre Bereitschaft.
In der Anfang 2008 ins Leben gerufenen Asse-2-Begleitgruppe, die unter Vorsitz von Landrat Jörg Röhmann die Interessen der Region bündeln soll, sind folgende Institutionen vertreten: Landkreis Wolfenbüttel, Stadt Wolfenbüttel, Samtgemeinden Asse, Schöppenstedt und Sickte, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz (NMU), Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Forschungszentrum Karlsruhe (FZK), von der Begleitgruppe benannte Experten, Asse 2-Koordinationskreis und Umweltverbände sowie Betriebsrat der Asse-GmbH.